Wie konnte es dazu kommen, dass sich die Zeitrechnung
der ganzen Welt - zumindest im internationalen Verkehr - am (vermeintlichen)
Geburtsjahr eines bestimmten Menschen orientiert?
Auch vor tausenden von Jahren schon hatte man das Bedürfnis, Jahre
durch Zählung zu identifizieren. Man orientierte sich vielfach an
den Amtsjahren von Herrschern (z.B. „im vierten Jahr des Königs ...“),
aber auch längerfristig angelegte Zählungen, z.B. seit der Gründung
Roms, wurden nur in begrenzten Regionen der Welt eingesetzt. Es gab über
die Jahrhunderte einen ständigen Wandel in der Akzeptanz bestimmter
Zeitrechnungen.
Offenbar hielt der Mönch Dionysius Exiguus im Jahr 525 n.Chr.
die Geburt von Jesus Christus für so bedeutend, dass er meinte, damit
eine weitere Zeitrechnung begründen zu können. Bis zur allgemeinen
Verwendung dieser Zeitrechnung in Europa dauerte es noch einige Jahrhunderte.
Welche weltweit prägende Macht die katholische Kirche hatte, wird
z.B. daran deutlich, dass ein Papst (Gregor XIII.) im Jahr 1582 die Änderung
der Zählung der Monate und Tage anordnen konnte - die Abweichung des
seit Julius Cäsar gültigen "Julianischen Kalenders" vom Sonnenjahr
war überdeutlich geworden. In dem heute noch gültigen „Gregorianischen
Kalender“ wurde auch die Zählung der Jahre ab Christi Geburt festgeklopft.
Wieso hatte die christliche Kirche eine so
große Macht?
Es gibt eine anscheinend unabänderliche Tatsache, dass Menschen
irgend etwas Übergeordnetes brauchen, an das sie glauben und das sie
(mehr oder weniger) in ihrem Leben leitet. Auch Atheisten haben ein individuelles
Gerüst von Überlegungen, das sie benutzen um Fragen zu beantworten
wie: „(In welcher Situation) kann es richtig sein, einen anderen Menschen
zu töten?“ oder „Was ist der Sinn meines Lebens?“ oder „Welche Ziele
habe ich bei der (Nicht-) Erziehung meiner Kinder?“.
Es gab und gibt einige Religionen, die Antworten auf diese und weitere
Fragen geben, aber es scheint, dass sehr viele Menschen sich nur mit einem
Abklatsch zufrieden geben, also es ausreichend finden, einer bestimmten
Religion anzugehören und vielleicht bestimmte Rituale zu befolgen
statt wirklich das auszuleben, was diese Religion in ihren Wurzeln aussagt.
Dadurch steht bei vielen Völkern die Frage der Religionszugehörigkeit
im Vordergrund, und es besteht die Tendenz, dass möglichst alle Anderen
der gleichen Religion angehören sollen wie man selbst.
Die christliche Kirche ist da in früheren Jahrhunderten keine
rühmliche Ausnahme. Man denke nur an Kreuzzüge, Inquisition,
Hexenverbrennungen oder die Rolle bei der Stabilisierung der Ausbeutungsverhältnisse
im Mittelalter. In das Bild passt auch die Vergrößerung der
eigenen Mitgliederzahl mit Methoden, die nicht von Jesus Christus empfohlen
wurden, sowie Ausübung von direkter Macht in der Kirche und meist
indirekter Macht im Staat.
Wer hat denn dann noch den Wunsch gehabt, den
2000. Geburtstag von Jesus Christus zu feiern?
Ich glaube, es ist sehr wichtig zu unterscheiden
zwischen den von Menschen geprägten Auswüchsen des christlichen
Glaubens und der eigentlichen Grundlage, nämlich den Worten und Taten
von Jesus Christus, wie sie im Neuen Testament größtenteils
im 1. Jahrhundert n.Chr. aufgeschrieben wurden.
Jesus Christus selbst hat nach den Berichten des Neuen Testaments nicht
nach Macht gestrebt. Zwar hat er von sich behauptet, der Sohn Gottes zu
sein, schon vor seiner Geburt existiert zu haben (als Gott) und auch nach
seinem Tod als Mensch, seiner Auferstehung und seiner „Himmelfahrt“ weiter
zu existieren. Aber er hat als Mensch nicht gefordert, dass Menschen ihm
wie einem Herrscher dienen – im Gegenteil, er hat vielen Menschen gedient.
Sein Ziel war auch nicht, eine weltumspannende Organisation zu gründen,
die Macht ausübt, sondern sein Anliegen war es, jedem einzelnen Menschen,
also Ihnen und dir und mir, den Weg zu Gott zu öffnen, der durch die
Sünde (= “Trennung von Gott“) seit Adam und Eva versperrt war.
Das Leben von Jesus Christus als Mensch ist beschrieben in den ersten
vier Abschnitten des Neuen Testaments, den Evangelien. Im folgenden Teil,
der Apostelgeschichte, kann man sehen, wie die ersten Gemeinden entstanden.
Dort fällt auf (z.B. am Ende der Kapitel 2 und 4), dass das damalige
Gemeindeleben sich doch sehr von dem unterschied, was sich in vielen hundert
Jahren Kirchengeschichte entwickelt hat.
Meine persönliche Meinung ist: Je mehr
jeder Einzelne das ernst nimmt, was Jesus gesagt hat, und sich nicht in
erster Linie an Traditionen und Hinzufügungen orientiert, um so eher
entstehen Gemeinden, die dem nahe kommen, was Jesus gewollt hat.
Solche Gemeinden gibt es viele auf der Welt. Ich habe das Glück, in
Marburg zum Christus-Treff
gehören zu dürfen, einer überkonfessionellen Arbeit hauptsächlich
unter jungen Leuten, die man im weiteren Sinne auch als Gemeinde ansehen
kann.
Nun zurück zur ursprünglichen Frage, auf die ich nur eine
persönliche Antwort habe: Als Mensch, dessen Leben durch den Glauben
an Jesus Christus im Großen und Kleinen und nicht nur äußerlich
verändert wurde, feiere ich gerne die Tatsache seiner Geburt (Weihnachten)
und erst recht seiner Auferstehung (Ostern), mindestens ein Mal im Jahr.
Und weil dieser Glaube etwas Nahes, Alltägliches ist, kommt es mir
dabei nicht auf besondere runde Jubiläen an. Aber den Gedanken, dass
es irgendwann in dieser Zeit, die ich erlebe, genau 2000 Jahre her ist,
dass Jesus, der Sohn Gottes, Mensch wurde und direkt unter uns Menschen
lebte, finde ich schon interessant. Falls ich das Jahr 2030 (plus/minus
...) noch erleben sollte, fände ich den Gedanken, dass seine Auferstehung
dann 2000 Jahre her ist, mindestens genau so interessant, denn sie hat
direkt Auswirkungen für jeden Menschen, der glaubt, was Jesus gesagt
hat: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das
Leben. Niemand kommt zum Vater als nur durch mich.“ (Joh. 14,6)
Wer sich mit Jesus Christus und dem Neuen Testament (dem zweiten Teil der Bibel) näher beschäftigen möchte, kommt alleine nicht sehr weit. In jüngster Zeit gibt es in mehr und mehr Orten (im deutschsprachigen Raum und weltweit) sogenannte Alpha-Kurse, in denen man sich (aus persönlichem oder akademischem Interesse) über die Grundlagen des christlichen Glaubens und die Inhalte des Neuen Testaments informieren kann.
Wer zu meinen persönlichen Ausführungen noch Fragen hat, kann
mir gerne mailen: Walter Schittek,
Für Diskussionen per eMail werde ich allerdings sicher nicht die
Zeit haben.